Endlich: Deutschland bekommt nationalen Aktionsplan 1325
Vorsitzender des Unterausschusses Krisenprävention Joachim Spatz, Sachverständige Monika Hauser (mitte) und Ute Scheub - Copyright(c) Deutscher Bundestag / Lichtblick/Achim Melde
Bündnis 1325: Konkrete Umsetzungsschritte fehlen
Gitti Hentschel
von Gitti Hentschel
Pünktlich zum Jahresende und damit zum Ende der zweijährigen Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition noch schnell einen Nationalen Aktionsplan (NAP) 1325 auf den Weg gebracht und so eine lange überfällige internationale Verpflichtung eingelöst. Der 30 Seiten starke Aktionsplan zeigt auf, wie die Bundesregierung Frauen auch auf höchsten Entscheidungsebenen bei der Prävention und Lösung von bewaffneten Konflikten, bei Friedensverhandlungen und beim Wiederaufbau verstärkt beteiligen will. Er enthält auch Strategien, die insbesondere Frauen und Mädchen vor sexualisierter Gewalt in bewaffneten Auseinandersetzungen schützen und die Verfolgung von Täter_innen regeln sollen. Bei einer Anhörung im Unterausschuss "Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit" des Auswärtigen Bundestagsausschusses am 3. Dezember formulierten zwei Vertreterinnen der Zivilgesellschaft - Dr. Ute Scheub für den Frauensicherheitsrat und Dr. Monika Hauser für medica mondiale - ihre Einwände zum vorliegenden Entwurf. Zwar sei das Papier ein Schritt in die richtige Richtung mit zahlreichen guten Einzelpunkten. Doch das Konzept der "Menschlichen Sicherheit" und die zivile Krisenprävention kommen erheblich zu kurz. Insbesondere fehlt es an der Konkretisierung von Umsetzungsschritten und überprüfbaren Maßstäben sowie einem eigenem Budget im Haushalt. Von Regierungsseite wurden diese Einwände zurück gewiesen. Der Ansatz der menschlichen Sicherheit werde durchgängig sichtbar, und eine eigene Finanzierung sei nicht nötig, Geld käme - schon jetzt - aus verschiedenen Töpfen und Ministerien.
Die Kritikpunkte hatten bereits am 22. November Vertreterinnen des "Bündnis 1325" bei einer Erörterung des NAP 1325-Entwurfs mit der zuständigen interministeriellen Arbeitsgruppe der Bundesregierung am "Runden Tisch" in der Bundesakademie für Sicherheitspolitik vorgebacht. Immerhin wurde daraufhin eine regelmäßige Erörterung des NAP als "lebendiges Dokument" und eine jährliche Konsultierung zivilgesellschaftlicher Gruppen aufgenommen sowie die Tatsache, dass auch Männer Opfer von sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten werden.
Jahre lang hat es ein Tauziehen zwischen - auch schon früheren - Bundesregierungen und zivilgesellschaftlichen Friedensakteur_innen um einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 gegeben. Insbesondere das GWI und der deutsche Frauensicherheitsrat, seit 2010 auch das von ihnen initiierte Bündnis 1325 mahnten immer wieder konkrete Maßnahmen an und formulierten Eckpunkte für die Umsetzung der völkerrechtlich verbindlichen UN-Resolution 1325 sowie sämtlicher Folgeresolutionen zum Themenkomplex "Frauen, Frieden, Sicherheit". Beharrlich verweigerte die Merkel-Regierung – in der FDP-Koalition ebenso wie in der SDP-Koalition zuvor - über Jahre einen solchen Aktionsplan mit der Begründung: für Deutschland reichten die Aktionspläne zur zivilen Krisenprävention und zur Gewalt gegen Frauen in Verbindung mit Gendermainstreaming-Maßnahmen und Umsetzungsberichten völlig aus. Ebenso beharrlich verwiesen die zivilgesellschaftlichen Akteur_innen und auch die Oppositionsparteien im Bundestag darauf, dass all diese Maßnahmen den Kern der UN-Resolution 1325 nicht erfassten. Tatsächlich geht es in diesen Aktionsplänen nicht um die Frauenbeteiligung und Genderperspektiven in bewaffneten Konflikten, sondern zum einen um die Bekämpfung häuslicher Gewalt in Deutschland, zum anderen um zivile, d.h. nicht-militärische Maßnahmen und Handlungsoptionen allgemein, ohne konkrete frauen- und geschlechtsspezifische Ansätze. Und die von der UN geforderten - bisher drei - Umsetzungsberichte der Bundesregierung zur UN-Resolution 1325 beschränkten sich auf eine weitgehend unsystematische Aneinanderreihung von Einzelmaßnahmen der Frauenförderung in Drittstaaten. Zum Teil wurden darin klassische Projekte der Entwicklungszusammenarbeit als 1325-Projekte deklariert.
Dass die Bundesregierung nach langen Jahren der Ablehnung nun eingelenkt und doch einen Aktionsplan 1325 aufgelegt hat, ist vermutlich zum kleineren Teil dem Engagement der deutschen Zivilgesellschaft zu verdanken. Eher hängt es mit dem stärker gewordenen Legitimationsdruck gegenüber der internationalen Gemeinschaft zusammen. Nachdem 2011 sogar die USA einen NAP 1325 verabschiedeten, isolierte sich Deutschland in dieser Frage nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern auch der NATO immer mehr und wurde zum Bremsklotz einer Umsetzung der UN-Resolution 1325. Mit diesem NAP will die schwarz-gelbe Regierung „am Ende der Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat wenigstens minimale Fortschritte bei der Umsetzung von Sicherheitsratsbeschlüssen vorweisen", kommentiert die linke Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler. Für sie ist die Vorlage "ein Schlag ins Gesicht derer, die sich seit Jahren für die Umsetzung von 1325 einsetzen." Denn es "fehlt ihm jede Verbindlichkeit". Und als „Schritt in die falsche Richtung“ kritisiert die Sprecherin für Abrüstungspolitik der Grünen Bundestagsfraktion Agnieska Brugger, dass der NAP allein durch das Kabinett beschlossen werden soll, ohne „weitere Befassung im Parlament“.